Voyeurismus

Wenn ich eine Geschichte anfange, habe ich kaum mehr als eine Grundidee. Manchmal gibt es auch schon fragmentartige Sequenzen der Handlung und eine vage Ahnung, wie die Erzählung endet. Bei meiner ersten Erzählung hatte ich sehr deutlich das Gefühl, vor einer Naturbühne zu stehen. Die Geschichte spielte am Mainufer. Ich stand also da und sah zu, wie sich die Handlung entwickelte, wie die Protagonisten agierten, wie die Geschichte ihren Lauf nahm. Ich war jeden Tag auf die Fortsetzung gespannt, bis ich schließlich die letzte Szene gesehen hatte.

Auch diesmal ist es wieder so. Ich sitze da, beobachte meine Figuren und schreibe auf, was ich sehe. Es ist ein bisschen wie Voyeurismus. Ich schaue Personen zu, die ich nicht kenne, belausche ihre Gespräche, erfahre, wie sie denken, sehe, was sie tun. Und – ich schreibe alles auf, notiere Einzelheiten, mache mir Notizen auf Zetteln oder auf Zeitungsecken, damit ich nur ja nichts vergesse. Und ich verfolge meine Protagonisten, stelle ihnen nach, solange, bis ich alles weiß, bis meine Neugierde befriedigt ist.

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