Atomausstieg jetzt

Bundesweit hatten Atomkraftgegner für heute 18 Uhr zu Mahnwachen in Städten und Gemeinden aufgerufen. Laut .ausgestrahlt e.V sind diesem Aufruf Bürger in mehr als 720 Orten Deutschlands gefolgt. Ich war in Wiesbaden dabei. Die Ereignisse in Fukushima haben längst verdrängt geglaubte Erinnerungen an den Super-GAU von Tschernobyl so präsent werden lassen, dass ich gemeinsam mit anderen AKW-Gegnern auf die Straße gehen wollte.

1986, als sich die Katastrophe in der damaligen UdSSR ereignete, war meine jüngste Tochter knapp zwei Jahre alt. Ich wusste damals nur wenig über Kernkraftwerke und noch weniger über die Gefahren potentieller Kontaminierung. Am 29./30. April erreicht die radioaktiv verseuchte Wolke auch Deutschland. Trotzdem haben wir am 1. Mai eine Wanderung mit den Kindern gemacht, zum Glück zu Freunden, die Informationen über die Gefahren der Strahlung hatten.

Gleich am nächsten Tag habe ich H-Milch aufgekauft, um die Kinder über Monate hinweg mit unbelasteter Milch versorgen zu können. Bereits am Tag darauf waren die Milchvorräte ausverkauft. Wochenlang gab es bei uns kein frisches Obst oder Gemüse, das nicht aus dem Treibhaus kam. Die Kinder durften sich lange Zeit nur begrenzt im Freien aufhalten, im Sand spielen war verboten. Glücklicherweise hat die Leitung des Kindergartens ebenfalls verantwortungsbewusst gehandelt und die Kinder im Haus spielen lassen. Jeden Tag wurde geduscht und die Haare gewaschen, um die radioaktive Nuklide wieder abzuwaschen. Sie können sich leicht vorstellen, welcher Aufwand dafür bei vier Kindern erforderlich war.

Und dennoch, ich hätte es nicht anders machen, die Gefahr nicht einfach wegwischen können, wie zahlreiche Eltern es damals taten. Ich habe in Erinnerung, dass die Stadt Taunusstein den Sand aller öffentlichen Spielplätze ausgetauscht hat, als die Werte auf dem Boden wieder deutlich zurückgegangen waren, weiß es aber nicht mehr zuverlässig.

Wenn ich in diesen Tagen in den Medien die Informationen erhalte, dass Milch strahlenbelastet ist im Norden Japans, dass das Trinkwasser teilweise so stark kontaminiert ist, dass die Bevölkerung es nicht trinken darf, dass Gemüse nicht verzehrt werden darf, dann weiß ich, dass wir weltweit mit diesem Wahnsinn der Stromerzeugung aus Kernkraftwerken aufhören müssen. Es gibt keine Sicherheit vor einem Super-GAU – auch nicht bei uns. Die Endlagerung des hochgiftigen Aommülls war nie zufriedenstellend gelöst.

Und wir – die Mütter und Väter, die Frauen und Männer dieses Planeten – wir haben hingenommen, dass die Stromproduktion immer noch AKWs einschließt. Damit muss nun nach dieser Katastrophe in Japan Schluss sein. Die Frankfurter Rundschau lässt Professor Olav Hohmeyer, Sachverständiger der Bundesregierung, zu Wort kommen:

Schon 2015 könnten alle 17 deutschen Meiler heruntergefahren werden.

Edmund Lengfelder, ehemaliger Professor am Strahlenbiologischen Institut an der Universität in München, gründete vor 20 Jahren den Deutschen Verband für Tschernobyl-Hilfe. In der weißrussischen Stadt Gomel, einem der am meisten kontaminierten Gebiete, baute er ein Schilddrüsenzentrum auf und behandelt Patienten mit Schilddrüsenkrebs. Er beendet sein Interview in der heutigen Printausgabe der Frankfurter Rundschau, das auch online verfügbar ist, mit den Worten:

Wir müssen alle Atomkraftwerke abstellen, auch bei uns. Die Bundeskanzlerin und ihre Gefolgsleute müssen aufhören, nur die wirtschaftlichen Interessen der Energiewirtschaft zulasten der Lebensgrundlagen der Bevölkerung zu bedienen.
(…)
Die wichtigste Lehre aus Japan ist: Auch ein westliches hoch technisiertes Land kann seine Bürger nicht angemessen schützen bei einem Super-GAU. Deswegen muss man diese Gefahr wegnehmen, und zwar sofort!

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